Von Tobias Wolf | 6. Oktober 2021 | Wandern & Natur
Nichts. Nahezu nichts ist zu hören. Einzig der Wind bewegt die hohen Fichtenwipfel und ein sanftes Rauschen ist zu vernehmen. Es gibt kaum
einen Ort in der Arberregion nahe Bodenmais, der so still ist wie das Mittagsplatzl. Der Ort strahlt Ruhe aus. Der Gebietsbetreuer für die
Arberregion, Johannes Matt, nimmt dich mit auf eine herbstliche Wanderung in die Waldeinsamkeit.
Einkehr in den Nebelwald
Am Wanderparkplatz Bretterschachten haben sich nur wenige Autos verirrt, der große Andrang wird erst in einigen Wochen kommen, wenn hier auf über 1100 Meter weitläufige Loipen zahlreiche Wintersportler anlocken. Noch bis kurz vor dem Bretterschachten war die Sicht frei, dann aber herrscht dichter Nebel, Wind und es ist deutlich kühler. Wir lassen uns aber nicht beirren, steigen aus, wandern los und folgen dem Wanderweg Richtung Mittagsplatzl. Gleich umfängt uns der Nebel und der Wald, der hier heroben ganz anders ist. Majestätisch hohe Fichten ragen über 30 bis zu 40 Meter in die Höhe. Das Gras ist bereits silbrig-braun verfärbt, einzig die roten Vogelbeeren sind noch kräftige Farbtupfer im Wald, ansonsten reduziert der Nebel alle Farben. So wie die Natur Einkehr hält, lädt sie uns ein, selbst in unsere innere Stille einzukehren.
Stetig bergauf erlaubt uns der Abzweig von der Forststraße in den Wanderweg eine Verschnaufpause. Folgend umgibt uns junger Wald, der hier nach dem großen Windwurf von Kyrill im Jahr 2007 entstanden ist. Im lockeren Verband in weiten Abständen mit viel liegenden und stehenden Totholz wächst eine neue Baumgeneration heran. Sie lässt sich Zeit beim Wachsen, die kurze Vegetationsperiode in den
Hochlagen der Arberregion lässt auch nichts anderes zu.
Verräterische Spuren
Da uns der Ausblick in Richtung Rachel und Vorderer Bayerischer Wald nicht vergönnt ist, richtet sich der Blick umso konzentrierter
auf den Weg. Und siehe da, es hat sich gelohnt: Eine Feder des Auerhuhns liegt vor uns. Metallisch grün glänzend verrät sie, dass es sich um eine Feder vom Brustschild des männlichen Auerhahns handelt. Beim letzten steileren Anstieg verläuft der Wanderweg entlang der Grenze zum Naturschutzgebiet „Großer Arbersee mit Seewand“ und der Wald wird noch uriger. Gerade bei Nebel ist es überlebenswichtig den markierten Weg nicht aus den Augen zu verlieren, da hier die Arberseewand über 400 Meter in die Tiefe abfällt. Nach einem kurzen, konzentrierten Abstieg tritt der Wald zurück, macht auf und wir erreichen das Mittagsplatzl.
Über See und Meer
Zur Mittagsrast nehmen wir neben dem kleinen Kreuz auf einer der vorderen Bänke in aller Einsamkeit Platz. Der Wind frischt auf und wir
wärmen uns am mitgebrachten Tee. Dann ziehen Nebelfetzen vorbei, der Nebelvorhang reißt auf und wir sitzen über dem Nebelmeer. Es vollzieht sich ein Naturschauspiel der besonderen Art. Plötzlich weitet sich der Ausblick über Bayerisch Eisenstein und Železná Ruda bis ins Böhmische. Auch die Berge Falkenstein und Rachel im benachbarten Nationalpark sind zu sehen. Unter uns tut sich ein tiefer Abgrund auf. Schwarz liegt der Große Arbersee zu unseren Füßen. Dieser Tiefblick ist im Bayerischen Wald einmalig und beeindruckt uns schwer.
Rast für Mensch und Tier
Nicht nur wir haben hier unsere Mittagsrast eingelegt, sondern auch die Waldhirten zogen traditionell mit ihren Stieren mittags auf
den Schachten, wo sich die Tiere zum Wiederkäuen niederließen. Das raue Borstgras ist Zeuge der Schachtenbeweidung. Wir sehen auf dem Schachten den verblühten Blütenstand des Ungarischen Enzians, der Ende Juli bis Anfang August wunderschön blüht und am Mittagsplatzl mit ein paar wenigen Exemplaren vorkommt. Dass er überhaupt noch vorhanden ist, ist den Bodenmaiser Weiderechtlern zu verdanken, die hier in langer Tradition ihr Recht der Waldweide ausüben. Die 21 Stiere halten den Schachten offen, sorgen für eine niedrige Grasnarbe und offene Bodenstellen, die der Enzian braucht, um neu keimen zu können.
Wir lassen uns daneben ins Gras nieder, die Wolken ziehen vorbei und wir hören nur das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln. Wir spüren die Bescheidenheit dieses Ortes, der nur zu Fuß erreichbar ist. Die Waldeinsamkeit umfängt uns hier gänzlich.
Die Einsamkeit wirkt nach
Der fleißige Wanderer kann noch bis zum Gipfel des Großen Arbers weiterwandern, wir aber genießen noch die wärmenden Sonnenstrahlen, die Ruhe und Stille, bevor wir gemütlich zurück zum Parkplatz Bretterschachten wandern. Die Waldeinsamkeit und der Eindruck des Mittagsplatzl als wirklich besonderer Ort wird noch lange in uns nachwirken.
Wanderungen zum Mittagsplatzl und viele weitere Touren rund um Bodenmais gibt's hier:
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